Dunkelziffer im Breitensport

Gehirnerschütterung im Fußball – Teil 1: Mehr als nur ein Brummschädel

Christoph Kramer erlitt im WM-Finale 2014 eine Gehirnerschütterung. [Foto: Getty Images]

Es ist Sonntag, der 13. Juli 2014 um 21.17 Uhr, Deutschland spielt das WM-Finale gegen Argentinien. Es steht 0:0. Christoph Kramer wird im Zweikampf von seinem Gegenspieler mit der Schulter am Kopf getroffen und geht zu Boden. Nach einer kurzen Behandlungspause spielt Kramer zunächst weiter, ist völlig orientierungslos, fragt den Schiedsrichter mehrfach, ob dies tatsächlich das WM-Finale sei, ehe er um 21.31 Uhr sichtlich angeschlagen, ausgewechselt wird. Bis heute kann Kramer sich, so sagt er selbst, nicht an die erste Halbzeit des Finalspiels erinnern. Christoph Kramer zeigte ausgeprägte Symptome einer Gehirnerschütterung, die auch als leichtes Schädel-Hirn-Trauma bezeichnet wird.

Die Gehirnerschütterung ist definiert als eine durch Gewalteinwirkung auf den Kopf entstehende Funktionsstörung des Gehirns (1). In den meisten Fällen sind im Fußball Kontakte mit einem anderen Spieler ursächlich. Kopfverletzungen und Gehirnerschütterungen stellen bis zu 24 % aller Verletzungen im Fußball dar (2). Die Gehirnerschütterung ist schwer zu diagnostizieren und wird nicht selten übersehen. Es ist insbesondere im Breitensport von viel höheren Raten an nicht erkannten Verletzungen auszugehen (3).

In der Regel zeigt sich die Gehirnerschütterung durch kurzzeitige, sich spontan bessernde Symptome (1). Typische beobachtbare Zeichen einer Gehirnerschütterung sind Bewusstlosigkeit, Verlangsamung, Gangunsicherheit/ Schwanken, Verwirrtheit, ein „leerer Blick“ oder bei schweren Symptomen eine Pupillendifferenz (neu aufgetretene Größenunterschiede der Sehlöcher am Auge)  und Erbrechen (3). Die durch den Sportler selbst beobachtbaren Anzeichen sind vielfältig. Am häufigsten werden Kopfschmerzen, Schwindel, Übelkeit und/oder Erbrechen, Müdigkeit, Sehstörungen und Licht- bzw. Lärmempfindlichkeit angegeben (3). Tabelle 1 stellt einen Überblick über die möglichen Symptome bei einer Gehirnerschütterung dar.

Typische Symptome einer Gehirnerschütterung

KörperlichKopfschmerz, Schwindel, Gleichgewichtsprobleme, Übelkeit/Erbrechen, Lichtempfindlichkeit, Lärmempfindlichkeit, Müdigkeit, Sehstörungen
Kognitiv (Denken)Geistiges Nebelgefühl, Verlangsamung, Konzentrationsprobleme, Erinnerungsprobleme, Verwirrtheit, Vergesslichkeit, Wiederholtes Fragen
EmotionalTraurigkeit, Reizbarkeit, Vermehrte Emotionen, Nervosität, Mangelndes Interesse
SchlafverhaltenEinschlafschwierigkeiten, Allgemeine Schläfrigkeit, Veränderter Schlafbedarf
Tabelle 1: Typische Symptome einer Gehirnerschütterung (adaptiert nach 3)

Das Erkennen einer Gehirnerschütterung geschieht durch das gezielte Abfragen der aufgeführten Symptome. In der Frühphase, also unmittelbar auf dem Platz oder nach dem Spiel, sollte hierbei der Fokus auf der Abfrage der körperlichen Beschwerden und dem Beobachten der kognitiven (das Denken betreffende) Auffälligkeiten liegen.

Wie sollte noch am Spielort bei einem Spieler mit einer Kopfverletzung vorgegangen werden (“Sideline-Evaluation”)?

Zuallererst gilt es für die Ersthelfer oder Ersteinschätzenden vor Ort Ruhe zu bewahren.  Ist der Spieler bewusstlos und nicht ansprechbar sollte sofort ein Krankenwagen gerufen und der Verletzte in eine stabile Seitenlage gebracht werden.  Beim ansprechbaren Spieler sollte versucht werden eine Gehirnerschütterung durch Symptomabfrage zu erkennen. Hierfür gibt es zwei nützliche Tools, die im Folgenden kurz vorgestellt werden sollen:

  1. Taschenkarte „Concussion recognition tool“ – Hilfe für das Erkennen einer Gehirnerschütterung der „ZNS – Hannelore Kohl Stiftung“
    In 3 Schritten wird man durch die „Erstbetreuung“ geleitet. Fazit: Die Taschenkarte sollte in jedem Training oder Spiel für Betreuer griffbereit sein. Hier geht es zum Download (Tipp Ausdrucken und Laminieren!)
  2. Smartphone-App „Gehirn-Erschütterungs-Test-App“ (Android und Apple-Store)
    Neben allgemeinen Informationen zur Gehirnerschütterung bietet die App die Möglichkeit im Rahmen eines Notfall-Tests am Spielfeldrand mittels Symptomerfassung, Reaktions- und Gedächtnistest binnen weniger Minuten eine Gehirnerschütterung zu erkennen. Entsprechend der Eingaben gibt die App Empfehlungen zum weiteren Vorgehen an. Zur genaueren Beurteilbarkeit im Verletzungsfall kann in der App auch eine Baseline-Testung (also eine Testung im gesunden Zustand) gespeichert und zum Vergleich zugezogen werden. Daneben enthält die App eine Team-Version, welche das Speichern von Baseline-Werten für ein gesamtes Team erlaubt. Fazit: Sollte auf keinem Smartphone fehlen. Hier geht es zum Download: App-Store / Play-Store

In der kommenden Ausgabe wird das Thema „Gehirnerschütterung“ mit Erläuterungen zur Therapie und Wiedereingliederung in den Sport fortgeführt.


Quellen:

Gänsslen A, Schmehl I, Klein W, Rickels E. Handlungsempfehlung – Gehirnerschütterung im Sport. Trauma Berufskrankh. 1. Mai 2016;18(4):326–31.

McCrory P, Meeuwisse W, Dvo?ák J, Aubry M, Bailes J, Broglio S, u. a. Consensus statement on concussion in sport-the 5th international conference on concussion in sport held in Berlin, October 2016. Br J Sports Med. Juni 2017;51(11):838–47.

Putukian M, Echemendia RJ, Chiampas G, Dvorak J, Mandelbaum B, Lemak LJ, u. a. Head Injury in Soccer: From Science to the Field; summary of the head injury summit held in April 2017 in New York City, New York. Br J Sports Med. November 2019;53(21):1332.

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